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Industriemesse IE in Freiburg: Digital alle auf der Höh?

Eindrucksvoller könnte der Messestart kaum sein, Rainer Hundsdörfer, Vorstandsvorsitzender der Heidelberger Druckmaschinen AG berichtet mit großer Offenheit von einem beispiellosen Turnaround seines Unternehmens. Von 5 Milliarden Euro Konzernumsatz in Spitzenzeiten sind gerade noch 2,4 Milliarden übrig. Aber das Unternehmen macht jetzt wieder Gewinn und wächst, wenn auch noch weit von der angestrebten zweistelligen EBITA-Marge entfernt. Dafür musste sich der Konzern komplett neu erfinden mit einer radikalen Umorientierung auf neue Geschäftsfelder, vor allem aber mit einer Vielzahl an innovativen Geschäfts-modellen und neuen, überraschenden Nutzenmerkmalen für seine Kunden. Das Traditionsunternehmen Heidelberg wandelt sich von einem Druckmaschinenbauer zu einem vielfältigen Kundennutzen-Produzenten. Fast nebenbei beschreibt Rainer Hundsdörfer in seinem Vortrag die digitale Transformation des Unternehmens. Sie ist aber nur Mittel zum Zweck, daran lässt Hundsdörfer keinen Zweifel, denn die digitale Transformation hat vor allem deshalb entscheidende Bedeutung, weil sich mit ihrer Hilfe neue Geschäftsmodelle mit außerordentlichem Kundennutzen realisieren lassen. Mit großer Bescheidenheit betont Hundsdörfer den langen Weg, den die Heidelberger bis zum angestrebten Ziel noch vor sich haben, keine Spur von Selbstzufriedenheit angesichts einer großartigen Leistung.

 

Ganz andere Akzente setzt wvib-Präsident Thomas Burger. Die Unternehmen der „Schwarzwald AG“ brauchen sich nach seiner Meinung nicht zu verstecken. Sie waren schon fleißig digital unterwegs als es viele der heutigen Buzzwords noch gar nicht gab. Dafür gibt es ohne Zweifel jede Menge Beispiele. Viele und besonders die erfolgreichen Firmen können seit langem das besonders gut, was Heidelberg gerade neu entdeckt hat – die konsequente Ausrichtung auf Produkte und Dienstleistungen, die einen herausragenden Nutzen für eine klar definierte, profitable Kundengruppe bieten. Bei Gesprächen an einigen Messeständen, überrascht jedoch die eine oder andere Äußerung, die nicht so ganz zu diesem Bild passen wollen.

 

Nach Meinung vieler Anbieter digitaler Technologien sind die Anwender eher zögerlich bei der Umsetzung digitaler Transformationsstrategien. Obwohl die eigenen Defizite meist klar erkannt werden, besteht bei vielen Geschäftsleitungen offensichtlich Unsicherheit hinsichtlich des Mehrwerts digitaler Technologien. Beklagt wird sogar eine Schwemme an digitalen Produkt- und Beratungsangeboten, die die Kunden zusätzlich verunsichern. Es verwundert, wenn trotz eines milliardenschweren Digitalmarkts ausgerechnet die digitalen Spezialisten über eine offensichtliche Marktschwäche klagen, während die potenziellen Anwender ihrer Technologien anscheinend noch nicht im vollen Maße das Potenzial erkannt haben. Welche Gründe könnte das haben?

 

Ich meine, dass Rainer Hundsdörfer in seinem Vortrag einige, interessante Antworten darauf liefert. Die digitale Transformation hat Heidelberg nicht nur an der einen oder anderen Stelle ein bisschen schneller oder produktiver gemacht, vielmehr hat sie völlig neue Geschäftsmodelle und Nutzenmerkmale ermöglicht, die jetzt einen respektablen Wachstumsschub auslösen. Neue Technologien alleine schaffen das nicht, dies gelingt erst in Verbindung mit neuen Lösungsansätzen, die durch diese Technologien möglich werden und die vor allem einen überwältigenden Kundennutzen für eine bedeutende Kundengruppe darstellen.

 

Welcher Kundennutzen könnte das sein? Für (industrielle) Kunden wird etwas dann besonders wertvoll, manchmal sogar unverzichtbar, wenn es ihnen hilft, in ihrem geschäft-lichen Umfeld drohende Risiken zu beseitigen oder besondere Chancen zu realisieren. Im Fall von Heidelberg war genau dies im besonderen Maße der Fall: Ein gefährliches Risiko (Insolvenz), radikale Lösungsansätze und neue Technologien, die diese realisierbar machten, generierten eine äußerst kreative Mischung, die große Kräfte mobilisierte. Genau denselben Mechanismus nutzt jetzt Heidelberg, um seinen Kunden unverzichtbare Produkte und Dienstleistungen zu verkaufen. Dafür müssen glücklicherweise die Kunden nicht unbedingt vor einer Insolvenz stehen, aber welches Unternehmen hat keine Herausforderungen zu bewältigen, seien es Risiken oder Chancen?  Vielleicht sollten wir alle mehr darüber nachdenken, wo denn unsere Chancen und Risiken liegen und wo die unserer Kunden. Es könnte helfen, wertvollere Produkte zu entwickeln, die keine Marktschwäche kennen. Mehr zu diesem Thema

 

Heinrich Weber

innoXsprint

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